Expositionstraining bei Zwängen

In der Behandlung von Zwängen wird sehr oft von der großen Wirksamkeit eines so genannten Expostionstrainings gesprochen. Da sich um dieses Expositions­training aber auch sehr viele Gerüchte und Fragen aufgetürmt haben - und die Betroffenen dadurch dann oftmals eher verunsichert werden - möchten wir an dieser Stelle einmal genauer darauf schauen, was es mit dem Expositions­training bei Zwängen auf sich hat.

Was ist ein Expositions­training bei Zwängen?

Die Behandlung von Zwängen ist - wie Ihnen vielleicht schon bekannt - in verschiedene Bausteine aufgegliedert. Ein wichtiger Baustein ist dabei das so genannte Expositions­trainig. Dabei handelt es sich um eine seit Jahren etablierte und inzwischen auch sehr gut wissenschaftlich untersuchte Behandlungs­methode, bei der sich die Betroffenen zunehmend mit den für sie anspannungs- bzw. angstauslösenden Situtationen konfrontieren.

Dabei muss zunächst beachtet werden, dass es bei dem Expositions­training nicht darum geht, sich ständig willkürlich in irgedwelche belastenden Situationen zu bringen - denn dies würde die Zwänge letztendlich nicht bessern sondern gegebenfalls sogar noch verstärken.

Vielmehr geht es bei dem Expositionstrainig zunächst einmal darum, mir - wie schon der Name sagt - einen eigenen, persönlichen Trainings­plan aufzustellen, wie ich wieder immer besser die für mich belastenden Situationen bewältigen kann.

Dazu stellt man üblicherweise zunächst einmal eine so genannte Zwangshierarchie auf - dies ist verinfacht gesagt, eine Liste, auf der ich meine Zwänge entsprechend ihres Schweregrades aufliste: Angefangen von 0 für einfache Situationen bis hin zu 100 für die zur Zeit am schwierigsten Zwänge. Bei der Aufstellung der Zwangshierarchie gilt es, einige Dinge zu beachten, aber dazu an anderer Stelle mehr.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde immer wieder wissenschaftlich untersucht, ob es hilfreicher ist, gleich mit den schwersten Zwängen, also bei “100”, anzufangen, oder ob ein gestufter Aufbau, beginnend mit den leichteren Zwängen und zunehmender Steigerung des Schwierigkeits­grades erfolgreicher ist. Wie bei allen Trainingsmethoden gehen auch hier die Meinungen noch immer auseinander. In unserer Praxis führen wir die gestufte Version des Expostions­trainings durch, da diese nach unseren Erfahrungen für die Betroffenen leichter durchzuführen ist. Und dies ist nach unserer Einschätzung ein ganz wichtiger Punkt, denn was nützt das beste Training, wenn ich es nicht alleine weiterführen kann?

Sollte ich das Expositions­trainig alleine oder zusammen mit einem Therapeuten durchführen?

Dazu eine ganz klare Antwort: Beides. Zu Beginn der Behandlung ist es hilfreich, das Expositions­training zusammen mit einer erfahrenen Psycho­herapeutin bzw. einem Psychotherapeuten durchzuführen. Wie bei jedem Training ist es auch beim Expositions­training wichtig, dass ich zunächst einen erfahrenen “Trainer” dabei habe, der mich beim Training anleiten und mir wichtige Hilfestellungen geben kann, damit das Training auch gut und erfolgreich läuft.

Im weiteren Trainingsverlauf ist es dann hilfreich, das Training zunehmend eigenständig durchzuführen. Ein ganz wichtiger Grund dafür ist, das ich mich ja nicht von meinem Trainer “abhängig machen” möchte. Um meine eigene Selbstwirksamkeit zu steigern ist es deswegen im Verlauf sehr gut, wenn ich die Übungen auch alleine durchführen kann und nur noch ab und zu meinen Psychotherapeuten zur “Trainings­kontrolle” brauche.

Führe ich das Expositions­training besser in der Einzeltherapie durch oder in der Gruppe?

Auch auf die Gefahr hin, dass wir uns wiederholen, lautet auch hier wieder unsere Antwort: Beides. In der Einzeltherapie ist der große Vorteil, dass ich das Expositions­training ganz nach meinen eigenen Bedürfnissen gestalten kann und auch die jeweiligen Übungseinheiten so lange und intensiv gestaltet werden können, wie es jetzt gerade für mich passt.

Andererseits hat auch die Exposition in der Gruppentherapie verschiedene Vorteile. Gerade Zwangsstörungen sind ja ein Krankheitsbild, das für viele Betroffene mit großen Verunsicherungen und der Sorge, “unnormal” zu sein, verbunden sind. Für sehr viele Betroffene ist deswegen die Erfahrung, das es seeeehr viele Menschen gibt, denen es genau so geht wie mir, und die vielleicht die ähnlichen Probleme mit dem Herd, dem Händewaschen, dem Händeschütteln, dem Zählen, dem ständigen Grübeln usw. haben - und die alle ganz genau so nett und normal sind, wie ich ich selber - eine sehr große Erleichterung.

Und auch das Üben geht in der Gruppe oftmals viel leichter als alleine. Sie kennen dies von anderen Trainings. Ich kann natürlich alleine Yoga machen oder alleine Fußball spielen - aber in der Gruppe macht das dann doch irgendwie mehr Spaß.

Und gerade der Spaß ist ein wichtiger Faktor beim Expositions­training. In den klassischen Lehrbüchern wurde immer vom üben, üben, üben gesprochen. Das ist schön und gut, aber bleiben wir realistisch: Ein Training, das keinen Spaß macht, höre ich schnell wieder auf. Das eigentliche Training ist natürlich durchaus anstrengend - wie jedes Fußball­training auch - aber den Erfolg nach dem Trainig kann ich viel besser feiern und genießen, wenn ich nicht alleine bin. Und auch das Training selber geht mir oft viel einfacher von der Hand, wenn ich Trainingspartner habe, mit denen ich zusammen üben kann.

Wie läuft die eigentliche Exposition ab?

Bevor mit dem Expositions­training begonnen werden kann, muss zunächst überlegt werden, was eigentlich exponiert werden soll. Und dabei müssen wir gleich mit einigen häufigen Mißverständnissen aufräumen: Exponiert werden muss nicht die scheinbare “sachliche” Seite der Zwänge - also z.B. der Herd oder die Haustür - sondern die bedrohlichen Gefühle und Gedanken, die mit diesen verbunden sind. Im nächsten Schritt wird der genaue Übungsablauf überlegt. Dabei ist es hilfreich, einen Trainings­schritt in verschiedene Trainings­einheiten aufzuteilen.

Nehmen wir wieder den Sport als Beispiel: Wenn ich gerne Skifahren lernen möchte, dann ist es hilfreich, ganz gemütlich anzufangen und mich immer mehr zu steigern. Wenn ich gleich mit der schwarzen Piste beginne, dann geht das selten gut aus. Also: Erst einmal gemütlich im Schneepflug die flachen Hänge - und dann Schritt für Schritt immer besser werden.

Etwas ähnliches brauchen wir auch für unser Expositions­training: Nicht zu schwierig anfangen und einen vernünftigen Trainingsplan, anhand dem ich mich orientieren und immer weiter verbessern kann.

Nun zurück zu unseren Zwängen: Nehmen wir wieder das Beispiel mit dem Herd. Das Ziel des Expositions­trainings ist nicht - wie schon oben angedeutet - mich endlos damit zu quälen, den Herd nicht kontrollieren zu dürfen. Vielmehr geht es darum, mich mit den schlechten Gefühlen zu konfrontieren, die bei mir entstehen, wenn ich z.B. das Haus ohne die nochmalige Kontrolle des Herdes verlasse. Und den damit verbundenen Sorgen und Gedanken (“...ich habe den Herd nicht noch einmal kontrolliert... jetzt könnte ich etwas übersehen haben... vielleicht ist er doch noch an... dann passiert etwas und andere kommen meinetwegen in Gefahr... und das Ganze, weil ich absichtlich etwas unterlassen habe... dann bin ich Schuld... usw.”

Das langfristige Ziel des Expositions­trainings ist, dass ich wieder die Erfahrung sammle, dass meine schlechten Gefühle vorüber gehen und dass ich diese bedrohlichen Situationen auch ohne meine Zwangshandlungen bewältigen kann. Dies braucht natürlich etwas Zeit. denken Sie wieder an unser Beispiel mit dem Skifahren - von heute auf morgen ist noch niemand zum Weltklasse-Rennläufer geworden. Dies mag sich banal anhören, ist aber ganz wichtig. Denn gerade wenn es um die Zwangsstörungen geht, mache ich mir selber (und auch die Menschen um mich herum) oftmals viel zu viel Druck, weil mich die Zwänge halt schon zu lange belasten. Aber mit zu viel Druck trainiert es sich schlecht - und die Zwänge können wir mit noch mehr Zwang auch nicht so richtig bekämpfen.

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   • Zwänge: Therapie

Gibt es das Expositions­training nur bei Zwangsstörungen?

Die therapeutische Erfahrung und die wissenschaftlichen Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Expositions­training nicht nur bei Zwangsstörungen wirksam ist. Neben den Zwängen wird das Expositions­training zum Beispiel auch in der Behandlung von Angststörungen eingesetzt.

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   • Expositions­training bei Ängsten


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